Janssens Kolumne: Wann ist ein Geschoss ein Vollgeschoss?

Foto: Stockfotos-MG/ AdobeStock

Von Lambert Janssen

Der Bau eines Wohnhauses an der Ramsauerstraße in Eversten hat bei den Nachbarn für Ärger und allgemein für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Ursache des Streits war die zulässige Zahl der Geschosse. Im Bebauungsplan 368 von 1974 ist dazu festgesetzt: „Z II“. Das bedeutet nach § 16 BauN-VO, dass nicht allgemein 2 Geschosse zulässig sind. Entscheidend ist vielmehr die Zahl der Vollgeschosse, deren Definition sich nicht unbedingt mit dem umgangssprachlichen Verständnis von Geschossen oder Etagen deckt. Die Definition des Vollgeschosses findet sich in § 2 Abs. 7 NBauO:

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1 Vollgeschoss ist ein oberirdisches Geschoss, das über mindestens der Hälfte seiner Grundfläche eine lichte Höhe von 2,20 m oder mehr hat.

2 Ein oberstes Geschoss ist nur dann ein Vollgeschoss, wenn es die in Satz 1 genannte lichte Höhe über mehr als zwei Dritteln der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses hat.

3 Zwischendecken oder Zwischenböden, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei Anwendung der Sätze 1 und 2 unberücksichtigt.

4 Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Dachhaut, in denen Aufenthaltsräume wegen der erforderlichen lichten Höhe nicht möglich sind, gelten nicht als oberste Geschosse.

Die Anwendung von Satz 2 führt bei Neubauten zu den häufig zu beobachtenden Staffelgeschossen, bei denen das oberste Geschoss sichtbar kleiner als das darunter liegende ist. So kann auch bei einer Festsetzung des Bebauungsplans von 2 Vollgeschossen ein Gebäude mit 3 Etagen entstehen und zulässig sein.

Kein Einzelfall, aber besonders auffälliges Beispiel

In Gebieten, die in den 1960er oder 1970er Jahren für Ein- oder Zweifamilienhäusern geplant und bebaut wurden, kann das zu sehr unpassenden Bauten führen, wenn ein Klotz von 3 Etagen entsteht. Ob der Rat der sich seinerzeit über die Tragweite seiner Festsetzung im Klaren war, soll nicht hinterfragt werden. Jedenfalls ist möglich, was man sich damals vermutlich so nicht vorgestellt hat. Investoren nutzen die Möglichkeiten gerne vollständig aus. Schließlich ist Baugrund sehr teuer. Der Neubau an der Ramsauerstraße ist insoweit kein Einzelfall, aber sicherlich ein besonders auffälliger.

Bebauungsplan 368 wurde nicht überarbeitet

Das Problem ist seit Jahren in der Stadtverwaltung bekannt und man ist bemüht, gegenzusteuern. Dazu wurde im September 2016 beschlossen, ältere Bebauungspläne zu überarbeiten. Städtebauliche Zielsetzung war „die Erhaltung des Charakters der vorhandenen Siedlungsstrukturen, indem zukünftige Vorhaben sich mit ihrer Kubatur und Zahl der Wohneinheiten in die Umgebungsbebauung einfügen“. Dazu sollten die Zahl der zulässigen Wohneinheiten beschränkt sowie eine First- und Traufhöhen- oder Gebäudehöhenbeschränkung festgesetzt werden. Der hier einschlägige Bebauungsplan 368 ist von den Anpassungen jedoch nicht erfasst.

Die Verdichtung gemeinverträglich steuern

Vor der Entwicklung, dass Ein- oder Zweifamilienhäuser durch Geschosswohnungen ersetzt werden, können Politik und Verwaltung nicht die Augen verschließen. Sie befinden sich dabei in einer schwierigen Lage. Einerseits soll dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden. Dazu müssen vorhandene Baugebiete ausgenutzt werden, bevor Flächen in freier Landschaft in Anspruch genommen und versiegelt werden. Nur mit Giebelhäusern oder Bungalows aus den 1960er und 1970er Jahren lässt sich der Wohnungsbedarf nicht Oldenburg nicht decken. Eine Verdichtung durch Geschosswohnungsbau lässt sich nicht verhindern, muss aber gemeinverträglich gesteuert werden.

Kolumnenkopf: Satzbaustein, Foto Janssen: Foto- und Bilderwerk / www.bilderwerk.org

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Rundbrief von Haus & Grund Oldenburg (Ausgabe 03/2023 vom 3. Juli 2023).

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