Janssens Kolumne: Wann ist ein Geschoss ein Vollgeschoss?

Von Lambert Janssen

Dass Vegetation und Baumbestand zu schützen sind, ist allgemein anerkannt und wird auch von Grundeigentümern nicht in Frage gestellt. Eine Satzung, mit der Eigentümern die Entfernung von Bäumen ohne vorherige Erlaubnis verboten werden soll, ist in Oldenburg jedoch sehr umstritten. Vor 25 Jahren hat sich die Ratsmehrheit an diesem heißen Eisen gehörig die Finger verbrannt. Ein Bürgerentscheid brachte die Baumschutzsatzung seinerzeit zu Fall. An Vorbereitung und Durchführung dieser unmittelbaren Demokratie war unser Verein maßgeblich beteiligt.

Auch ohne Schutzsatzung keine „Kettensägenmassaker“

Auch 25 Jahre ohne Baumschutzsatzung haben nicht zu den von einigen befürchteten „Kettensägenmassakern“ auf privaten Grundstücken geführt. Oldenburg ist eine grüne Stadt und wird es auch bleiben. Maßgeblich tragen Privatgrundstücke dazu bei. Wenn Bäume gefällt wurden, gab es dafür Gründe. Aus lauter Vergnügen am Krachen fallender Bäume wird kaum jemand den Aufwand betrieben haben.

Entscheidung vertagt, weil Diskussionsbedarf besteht

Die Erinnerung an die basisdemokratische Entscheidung gegen den Eingriff in das Privateigentum hat die Politik fast ein Vierteljahrhundert davon abgehalten, diesen Knüppel wieder aus dem Sack zu holen – bis jetzt. In der Ratssitzung Ende Juni sollte über einen Satzungsentwurf zur Genehmigungspflicht von Baumfällungen beschlossen werden. Dazu kam es aber – noch – nicht. Die Stadt sieht noch Diskussionsbedarf, auch mit den Betroffenen.

Umweltbewusstsein vs. dringender Wohnraumbedarf

Die Diskussion über Baumschutz auf privaten Grundstücken wird gegenüber dem letzten Satzungsversuch mit zum Teil anderer Begründung geführt werden. Das Bewusstsein für den Umweltschutz allgemein und den Erhalt von Bäumen im Besonderen ist gewachsen. Der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen ist in Art. 20a Teil der Verfassung geworden. Andererseits besteht dringender Wohnraumbedarf. Der unverminderte Zuzug nach Oldenburg wird zu Wohnungsbau durch Verdichtung führen, was eine intensivere Grundstücksnutzung zu Lasten von Grünflächen und Baumbestand bedingt. Auch die Anforderungen an alternative Energiegewinnung durch Photovoltaik können in Konflikt mit der Erhaltung hoher Bäume geraten. Hier ist die öffentliche Planung gefordert, die den Ausgleich zwischen Notwendigkeiten und Erhaltung oder Anpflanzung des Baumbestandes finden muss.

Teilhabe ist ein elementares Recht, das wir einfordern!

Bei Überlegungen zur künftigen Grünstrategie auch unter Einbeziehung von Privatgrundstücken ist die frühzeitige Beteiligung der Eigentümer unverzichtbar. Bisher ist davon nichts bekannt. Zumindest an uns als Zusammenschluss von ungefähr 4.000 Grundeigentümern ist niemand herangetreten. Soweit Satzungsentwürfe gefertigt und in Ausschüssen verhandelt wurden, geschah dies über die Köpfe der Eigentümer hinweg. Teilhabe der Betroffenen an politischen Entscheidungen ist kein Geschenk der Politik, das man nach Belieben gnädig gewähren oder bei erwartetem Widerstand vorenthalten kann. Es ist ein elementares Recht, das wir einfordern. Eine ausreichende Einbeziehung kann sich nicht in der Anhörung zu bereits beschlossenen Entwürfen erschöpfen. Eine nachträgliche Anhörung, in welcher Form auch immer, ist keine demokratische Beteiligung.

Frühzeitig das Gespräch mit den Betroffenen suchen

Es muss die Möglichkeit vorhanden sein, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen. Eine breite öffentliche Diskussion trägt zur Akzeptanz der Entscheidung bei. Nach den Erfahrungen mit der letzten Baumschutzsatzung sollte es im Interesse der Stadt liegen, das Gespräch mit den Betroffenen möglichst frühzeitig zu suchen und sie nicht als Objekte obrigkeitlicher Entscheidungen erscheinen zu lassen, sondern sie als Mitgestalter einzubeziehen. Politische Kräfte, die ansonsten basisdemokratische Beteiligungsmodelle fordern, sollten sich dem nicht verweigern.

Kolumnenkopf: Satzbaustein, Foto Janssen: Foto- und Bilderwerk / www.bilderwerk.org

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Rundbrief von Haus & Grund Oldenburg (Ausgabe 04/2023 vom 30. August 2023).

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